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Einführung
Das
„frühe“ KZ
Haft
im „frühen“ KZ
Robert
Hoffmeister
Das
Frauen-KZ
Paula
Schwalbe
Moringen
bis
Ravensbrück
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Haft
im Frauen-KZ
Im Frauen-KZ inhaftierten die NS-Behörden zunächst vor allem Kommunistinnen.
Die Haftbegründungen orientierten sich häufig am „Verdacht der illegalen
Parteiarbeit“ für die KPD oder an „staatsfeindlichen Äußerungen“. Sie
verschleppten einige Frauen als Geiseln für die im Widerstand tätigen
Ehemänner und inhaftierten Sozialdemokratinnen. Schließlich dehnten die
NS-Behörden die Haftgründe erheblich aus: Mit dem „Gesetz zum Schutz des
deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15.09.1935 wurden eheliche
und außereheliche Verbindungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Personen
kriminalisiert und verboten. Dementsprechend transportierte man Frauen
nach Moringen, die man als „Rassenschänderinnen“ diffamierte. Einige Frauen,
die Deutschland nach der Machtübernahme und den antisemitischen Ausschreitungen
zunächst verlassen hatten und zwischenzeitlich, an eine Beruhigung der
Lage glaubend, zurückgekehrt waren, wurden durch einen Geheimerlass des
Preußischen Innenministers vom 09.02.1935 an der Grenze verhaftet und
nach Moringen überstellt (sog. Remigrantinnen). Nach dem „Reichsverbot“
der Bibelforschervereinigung (Zeugen Jehovas) vom 01.04.1935 wiesen die
Behörden zahlreiche Bibelforscherinnen in das Frauen-KZ ein. Bald waren
sie die zahlenmäßig bedeutendste Häftlingsgruppe in Moringen. Zwischen
1935 und 1937 intensivierte der NS-Staat die Verfolgungsmaßnahmen gegenüber
sozialen Minderheiten, die als „Gemeinschaftsfremde“ bezeichnet wurden.
Neben Prostituierten überstellte man Fürsorgezöglinge und sog. „Berufsverbrecherinnen“
in das Frauen-KZ Moringen.
Zur
„Umerziehungsmaßnahme“ deklariert, diente die Haft im Frauen-KZ Moringen
der gezielten Einschüchterung, der Strafe und Maßregelung. Von den politischen
Häftlingen und den „Zeuginnen Jehovas“ wurde die totale Abkehr von ihren
Überzeugungen eingefordert. Den nach Moringen verschleppten jüdischen
Frauen teilten die Behörden mit, dass sie nur dann aus dem KZ entlassen
würden, wenn sie sich zur Emigration aus Deutschland bereit erklären.
Mit der KZ-Haft gegenüber den aus sozialen Gründen Inhaftierten sollte
die bedingungslose Anpassung an die neuen Normen der NS-Volksgemeinschaft
erzwungen werden. Im Lageralltag trugen die Frauen ihre persönliche Kleidung.
Das Essen war wohl ausreichend, aber sehr eintönig und wenig nahrhaft,
die Unterbringung äußerst spartanisch. Die vergitterten Tages- und Arbeitsräume
waren lediglich mit einfachen Hockern und Holztischen ausgestattet. Die
Frauen mussten in Doppelstockbetten direkt unter dem Dach des „Frauenhauses“
schlafen. Bei nicht abgedichteten Dächern und rationiertem Heizmaterial
wurden die Nächte im Herbst und Winter zur besonderen Strapaze.
Zunächst fehlten die entsprechenden Arbeitsaufträge aus der Wirtschaft,
und die Frauen arbeiteten zwangsweise in der Landwirtschaft, besserten
Kleidung für das Werkhaus aus oder verrichten Handarbeiten. Der Arbeitsumfang
nahm erheblich zu, als die KZ-Häftlinge zu Instandsetzungsarbeiten für
das Winterhilfswerk herangezogen wurden.
Fast
alle Frauen kamen nach monatelanger Gefängnishaft und zahllosen Verhören
durch Polizei und Gestapo in das KZ Moringen. Obwohl sie im Lager von
direkten körperlichen Misshandlungen verschont blieben, waren die seelischen
und körperlichen Belastungen der Haft immens. Mit vielen Frauen auf engstem
Raum zusammengesperrt, hatten sie keinerlei Privatsphäre. Völlig abgeschnitten
von ihrem bisherigen Leben und ihren sozialen Kontakten, wussen sie meist
nicht, wie es den engsten Familienangehörigen geht. Die ungewisse Dauer
der Haft und der monotone Lageralltag führten etliche Häftlinge sehr schnell
an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Schwere Depressionen und Nervenzusammenbrüche
waren die Folge. In dieser Situation wurden zwei Kinder im Konzentrationslager
Moringen geboren.
Um
die Haftsituation erträglicher zu gestalten, entwickelten die Frauen verschiedene
Formen des Widerstehens und der Solidarität. Bei den politischen Häftlingen
und den Zeuginnen Jehovas führten die festen persönlichen Überzeugungen
zu engen Gruppenbildungen. Nach eigenem Bekunden bot ihnen die Gemeinschaft
einen festen Rückhalt im Lagerleben, wobei sich die Frauen durch Lebensmittelgaben,
Sammlungen für inhaftierte Ehemänner oder kleinere Hilfestellungen und
Ratschläge gegenseitig unterstützten. Von den Bewacherinnen unentdeckt,
gelang es den Kommunistinnen, politisch zu diskutieren und sich in gegenseitigen
Schulungen (Stenografie, Fremdsprachen) weiterzubilden. Die Zeuginnen
Jehovas verweigerten gemeinsam die Zwangsarbeit und versuchten, einige
Mithäftlinge von ihrem Glauben zu überzeugen. Dafür erhielten sie von
Lagerdirektor Krack wiederholt Kollektivstrafen (Isolation als Gruppe,
Post- und Besuchssperre).
Die jüdischen Frauen erfuhren Solidarität von außen. Die Mitglieder des
"Jüdischen Frauenbundes e.V." in Berlin-Charlottenburg bemühten sich,
die notwendigen Unterlagen und Reisedokumente für die vom Staat geforderte
Zwangsausreise zu beschaffen.
Ein
Täter im Frauen-KZ
Der am 05.08.1888 in Hannover geborene Hugo Krack hatte in München und
Leipzig studiert. Bis 1930 war er als Lehrer tätig. Im gleichen Jahr avancierte
er zum Direktor des Provinzialwerkhauses in Moringen. Am 01. Mai 1933
verließ er die Deutsche Demokratische Partei (DDP) und trat in die NSDAP
ein. Im Herbst des gleichen Jahres folgte der Beitritt zur SA. Seit Einrichtung
des Lagers bis zu seiner Auflösung war Hugo Krack „Lagerdirektor“ des
Frauen-KZ Moringen. Er berichtete regelmäßig vor Himmler und dessen Mitarbeiterstab
über das Lager und die Erfahrungen mit den Häftlingsgruppen. Als „Lagerdirektor“
ordnete er Lagerstrafen an. Er denunzierte Frauen und deren Angehörige
bei den vorgesetzten Behörden und entschied durch die von ihm geforderten
vierteljährlichen Führungsberichte über die weiteren Lebenswege der Inhaftierten.
Eindeutig antisemitische Aussagen prägten seine Stellungnahmen zu den
jüdischen Häftlingen. Die religiös motivierte Verweigerungshaltung der
Zeuginnen Jehovas blieb ihm völlig unverständlich, so dass er einige dieser
Frauen als geisteskrank diffamierte. In anderen Beurteilungen setzte er
sich für die Entlassung einzelner, vor allem kommunistischer, Frauen ein:
Aber nur dann, wenn er an ihre restlose Abkehr von den politischen Zielen
glaubte. So gelang es vielen Häftlingen, ihre tatsächlichen Motive und
Lebensentwürfe vor ihm zu verbergen.
Hugo Krack war kein sadistischer Peiniger, seine Machtmechanismen waren
subtiler. Er offenbarte sich als Bürokrat, der sich mit der NS-Diktatur
arrangierte und als „Lagerdirektor“ zur Festigung des nazistischen Machtanspruches
beitrug. In seiner Doppelfunktion als Lager- und Werkhausdirektor bemühte
er sich gezielt um eine kostenträchtige Auslastung des Werkhauses mit
„Schutzhäftlingen“ und um den Fortbestand des Konzentrationslagers Moringen.
Er gab gezielte Anregungen und Hinweise zur Ausgestaltung der „Schutzhaft“
und sprach sich ausdrücklich für das Mittel der Zwangsarbeit als Disziplinierungsmethode
aus.
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