Einführung
Das „frühe“ KZ
Robert Hoffmeister
Das Frauen-KZ
Haft im Frauen-KZ
Paula Schwalbe

Moringen bis
Ravensbrück

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Haft im frühen KZ
Im Zuge der NS-Terrormaßnahmen gegenüber der KPD („Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“) verschleppten die Behörden der Regierungsbezirke Hannover und Hildesheim zunächst nur Funktionäre und Anhänger dieser Partei in das KZ Moringen. Doch schon wenige Wochen später folgten Mitglieder der SPD, Gewerkschaftsangehörige, Juden und Bibelforscher (Zeugen Jehovas). Am 11.04.1933 traf ein erster großer Sammeltransport von 99 Schutzhäftlingen aus dem Gerichts- und Polizeigefängnis Hannover ein. Innerhalb von vier Tagen wurden 286 politische Gefangene in Moringen festgesetzt. Sie kamen aus den Gefängnissen in Hannover, Rinteln, Osterode und Hildesheim. Im Mai 1933 wurde das Einzugsgebietes des Lagers erweitert, und auch die Regierungsbezirke Lüneburg, Osnabrück, Merseburg und Aurich wiesen Häftlinge ein. Von März bis Oktober 1933 inhaftierte der NS-Staat insgesamt circa 950 Männer im KZ Moringen - vor allem Arbeiter und Handwerker. Der jüngste Häftling war 16 Jahre, die ältesten über 60 Jahre alt.


Zwangsarbeit: Häftlinge des „frühen“ KZ Moringen im nahegelegenen Steinbruch

Für die Behandlung der Häftlinge war ein Strafkatalog vorgesehen, der von der Postsperre und dem Essenentzug über Isolationshaft bis hin zum Schießbefehl bei Fluchtversuchen reichte. Werkhausdirektor Krack beeinflusste die Ausgestaltung der KZ-Haft in Moringen maßgeblich. Mit den insgesamt vier verschiedenen Lagerkommandanten von Polizei und SS war er sich in der Zielsetzung des Konzentrationslagers einig: Die als „seelisch Kranke“ diffamierten Häftlinge sollten „umerzogen“ und „...möglichst bald von ihren kommunistischen Zielen bekehrt...“ werden.
Deshalb setzte man die Inhaftierten diversen „Schulungsmaßnahmen“ aus. Durch die angeordnete Lektüre von NS-Propagandaschriften und verschiedenste Vorträge zur NSDAP und ihren Zielen sollen sie sich von ihren eigenen politischen Zielen abwenden. Während anfangs noch ein monotoner Tagesablauf den Alltag der KZ-Häftlinge bestimmte, wurde mit zunehmender Dauer das Mittel der Zwangsarbeit eingeführt und ausgebaut, um die politischen Häftlinge zu disziplinieren und „politisch zu erziehen“.

Einige Häftlinge arrangierten sich mit den Wachmannschaften, indem sie ihre Mitgefangenen bespitzelten. Die meisten Häftlinge nutzten die freie Zeit in den Schlafsälen oder bei den befohlenen Hofspaziergängen, um die neue politische Lage zu diskutieren. Sie suchten dabei auch nach eigenen Möglichkeiten des Widerstehens. Am 21.06.1933 begann durch die Initiative einer Häftlingsgruppe ein Hungerstreik, der sich gegen die unrechtmäßige Inhaftierung, die Haftbedingungen mit der Arbeitspflicht im Lager sowie die mangelhafte und eintönige Ernährung wendete. Zwei Tage später erklärten sich alle Häftlinge des Lagers solidarisch. Sie weigerten sich, die Schlafsäle zu verlassen und die Arbeit aufzunehmen. Der neue Lagerkommandant - Polizeihauptmann Stockhofe - wählte vermeintliche "Rädelsführer" des Streiks aus und isolierte sie in Einzelzellen. Am 24.06.1933 brachen die ersten zehn Häftlinge an den Folgen der Nahrungsverweigerung zusammen - sie wurden zwangsernährt. Außerdem ordnete das Preußische Innenministerium eine Wassersperre für alle Gefangenen an, wobei ihr Tod bewußt in Kauf genommen wurde. Daraufhin brachen die Inhaftierten den Streik ab.

Nach dem abgebrochenen Hungerstreik verbesserte sich die Ernährungslage geringfügig, doch nun wurde der SS die Leitung des Lagers übertragen. Bereits am 27.06.1933 inspizierte SS-Sturmführer Otto Cordes als künftiger Kommandant das KZ Moringen. Am 01.08.1933 löste die SS die bisherige Wachmannschaft der Schutzpolizei ab. Die Zustände im KZ Moringen änderten sich tiefgreifend. Im Lager wurde die Zwangsarbeit für alle Häftlinge eingeführt, Besuchskontakte und Postempfang waren erheblich eingeschränkt. Willkür, Prügel und brutale Folterungen bestimmten nun den Lageralltag. Die SS setzte gezielt Folter ein, um Aussagen zu politischen Aktivitäten und Namen von politischen Mitstreitern zu erpressen. Solche „Verhöre“ vollzogen die Aufseher in einer von den Inhaftierten als „Freudenzimmer“ bezeichneten Einzelzelle. Entwürdigende Demütigungen und Schläge mit Fäusten, Ochsenziemern sowie Gewehrkolben führten zu schlimmsten körperlichen und seelischen Verletzungen. Vor allem jüdische Häftlinge und hochrangige KPD-Politiker - Landtags- oder Reichstagsabgeordnete - wurden äußerst brutal behandelt. Deshalb kam es im KZ Moringen auch zu Todesfällen, wie dem des 40-jährigen Maurers Heinrich Witte aus Wunstorf am 08.09.1933 (als Todesursache ist „Nervenzusammenbruch“ angegeben).

Am 03. Juni 1933 wurden schließlich die beiden ersten Frauen in das Konzentrationslager Moringen überstellt, das bis zu diesem Tag nur zur Inhaftierung von Männern gedient hatte. Doch es stand schon fest: Moringen sollte zum zentralen Frauen-KZ ausgebaut werden. So waren Ende August 1933 bereits 26 Frauen in der „Frauenschutzhaftabteilung“ des Konzentrationslagers Moringen inhaftiert.