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Kriminalbiologische Selektion
Die inhaftierten Mädchen waren den pseudowissenschaftlichen Beurteilungspraktiken der Mitarbeiter des „Kriminalbiologischen Institutes der Sicherheitspolizei (KBI)“ ausgesetzt. Zu den durch Runderlass festgelegten Aufgaben des KBI gehörte ausdrücklich auch die Sichtung und Selektion der in Uckermark inhaftierten Mädchen, nachdem Ritters Mitarbeiterinnen ihre neuen Diensträume in der Sicherheitspolizeischule Drögen - in einer benachbarten Ortschaft gelegen - bezogen hatten.


Die Sicherheitspolizeischule in Drögen, Sitz von Ritters Diensträumen

Dr. Dr. Robert Ritter

Im Gegensatz zu Moringen beließen es die „Wissenschaftler“ bei einem weniger durchstrukturierten Blocksystem, wobei sie auch in diesem Lager die begutachteten Häftlinge nach einer auf Ritters persönlichen Bewertungen und Charaktereinstufungen basierenden Beurteilungsskala kategorisierten. Nach dem Verlassen des A-Blocks, des Aufnahmeblockes wurden die Mädchen einem der durchnummerierten „unteren“, „mittleren“ oder „höheren“ Blöcke zugeordnet. Die politischen Häftlinge waren einem separierten Block, dem „Sonderblock“, zugeteilt. In dieser Beurteilungs- und Kategorisierungspraxis wurde jede Auflehnung gegen die Umstände der Lagerhaft und jede Verfehlung gegen die Lagerordnung von den Kriminalbiologen als weiterer Beleg für „biologische Verworfenheit“ gewertet. Sie entwickelten eigene Vorschläge zur weiteren Behandlung und Unterbringung der Mädchen und entschieden damit über den weiteren Lebensweg der Inhaftierten. Aus dem bereits erwähnten Bericht der Lagerleiterin ist zu entnehmen, dass aufgrund der erb- und kriminalbiologischen Prognose der „Wissenschaftler“ mindestens 71 Jugendliche aus Uckermark in ein Erwachsenen-KZ und 22 Mädchen als sogenannte „pathologisch Abartige“ in Heil- und Pflegeanstalten verschleppt wurden.
Mit der Überstellung von 211 Mädchen vom 24.01.1945 in das benachbarte Frauenkonzentrationslager Ravensbrück begann die Auflösung des sogenannten „Jugendschutzlagers“ Uckermark aufgrund des kriegsbedingten Herannahens der Roten Armee. Während die SS einige junge Frauen in den folgenden Wochen in die Freiheit entließ und eine weitere Gruppe in den Baracken verbleiben musste, wurde ein nun separierter Teil des Jugendlagers von der SS als Selektions- und Vernichtungslager des Frauen-KZ verwendet. Durch Injektionen und Giftpulver ermordete die SS dort Frauen, die u.a. aus dem evakuierten KZ Auschwitz herangeschleppt worden waren. Die jungen Sloweninnen wurden als letzte Häftlinge am 30.04.1945 aus der Haft im Jugend-KZ entlassen.