Einführung |
Krankenrevier
und medizinische Experimente
Das Revier
wurde außerdem im Zeitraum vom 1. August 1942 bis zum 16. August 1943
zum Schauplatz pseudomedizinischer Experimente, die SS-Ärzte unter Leitung
von Prof. Dr. Karl Gebhardt an 74 polnischen Gefangenen und 12 Häftlingen
anderer Nationalität durchführten. Es handelte sich um Knochen-, Muskel-
und Nervenentnahmen sowie um Operationen, die Infektionen (Gasbrand) hervorrufen
sollten, um daran die Erfolgsaussichten einer Behandlung mit Sulfonamiden
zu widerlegen. Im Lagerjargon erhielten die operierten Frauen die Bezeichnung
„(Versuchs-) Kaninchen“. Fünf der polnischen „Kaninchen“ und die zwölf
Häftlinge anderer Nationalität starben unmittelbar nach den Operationen,
sechs weitere wurden kurze Zeit später mit noch nicht verheilten Wunden
erschossen. Darüber hinaus wurden in Ravensbrück Anfang 1945 etwa 120
bis 140 Frauen und Mädchen der Sinti und Roma - die jüngsten von ihnen
waren acht Jahre alt - Sterilisationsexperimenten unterworfen, an deren
Folgen zahlreiche Opfer starben. Im gleichen Zeitraum wurden auch im Männerlager
Sterilisationen an einer Reihe von Sinti und Roma durchgeführt, deren
jüngste Opfer ebenfalls noch im Kindesalter waren. Ab Mitte 1941 begann
die SS in einigen Männerlagern (Mauthausen, Buchenwald, Sachsenhausen,
Neuengamme, Dachau, Flossenbürg, Mittelbau-Dora) Bordelle einzurichten.
Die weiblichen Häftlinge, die dort als Prostituierte arbeiten mussten,
stammten größtenteils aus dem KZ Ravensbrück. Sie waren entweder direkt
dazu gezwungen oder unter falschen Versprechungen auf anschließende Entlassung
dazu gebracht worden, sich „freiwillig“ zu melden. Im Zeitraum vom 6.
Mai 1944 bis zum 11. März 1945 wurden 65 der Sabotage verdächtige russische
Frauen hingerichtet. Außerdem wurden in Ravensbrück von 1941 bis 1945
über 160 Polinnen, mehrere englische und französische Fallschirmspringerinnen
sowie einige Frauen anderer Nationalitäten erschossen. Sie hatten sich
aktiv am Kampf gegen die Nationalsozialisten und die Besetzung ihres Landes
beteiligt und waren bereits mit von „Sondergerichten“ verhängten Todesurteilen
in das KZ Ravensbrück eingeliefert worden.
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